Dein Wort in meinem Herzen

Ich bewahre dein Wort in meinem Herzen, damit ich nicht wider dich sündige.

Psalm 119,11

Die Anfangszeit meines Theologiestudiums war neben dem Erlernen der Sprachen Griechisch und Hebräisch vom Fach Bibelkunde dominiert – schließlich sollten wir wissen, worüber wir reden. Für diesen Kurs las ich nicht nur zum ersten Mal die Bibel komplett durch (dafür machte ich auch eine Ausnahme von meiner Regel, am Sonntag nichts fürs Studium zu lernen – wenn Sonntagnachmittag ist und du bis morgen noch 20 Kapitel Hesekiel lesen musst …). Es gab auch allerhand auswendig zu lernen: Themen, Inhalte, Gliederungen zu den einzelnen biblischen Büchern. Und für jedes Buch der Bibel einen Schlüsselvers, von unserem Dozenten mehr oder weniger sinnvoll ausgesucht.

Die musikalisch begabten Ehefrauen von zwei Studienkollegen erleichterten uns das Lernen erheblich, indem sie alle 66 Schlüsselverse in Liedform brachten – in der Lutherübersetzung, inklusive Bibelstellenangabe! Zugegeben: Nicht jedes dieser Lieder war für die Ewigkeit komponiert, aber das Lernen wurde durch Melodie und Rhythmus sehr erleichtert. So sehr, dass die Lieder auf Kassette und später auf CD große Verbreitung fanden und mir später einmal erzählt wurde, einige Jahre später sei das Pfeifen oder Summen in der Bibelkundeprüfung untersagt worden – offenbar wurde es als wortloses Vorsagen gewertet.

Die Liedersammlung hatte den Titel „Dein Wort in meinem Herzen“. Das ist zum einen ein Zitat aus dem gewaltigen Psalm 119 (s.o.), zum anderen beschreibt es, was beim Auswendig lernen passiert. Auf Englisch heißt es ja: „Learning by heart“, mit dem Herzen lernen.

Über die Jahre habe ich die Disziplin, Bibelverse „by heart“ zu lernen, (wieder neu) zu schätzen gelernt. Nicht mehr für die Prüfung, sondern fürs Herz. Nachdem meine Box mit den Lernkarten einige Jahre auf der Fensterbank verstaubte, wurde sie irgendwann wieder in Betrieb genommen. Heute ist das ein fester Teil meiner Routine, meist wenn ich ohnehin beim Bibellesen sitze, einige Verse durchzugehen. Inzwischen habe ich über 400 Verse in meiner Sammlung aus fast allen Büchern der Bibel (Obadja und Philemon muss ich nochmal mit aufnehmen).

  • Das Ziel: „… dass ich nicht wider dich sündige“, klappt nicht immer. Was aber klappt: Mein Denken, mein Sprachgebrauch, wird immer mehr von Gottes Wort geprägt. Manchmal fällt es mir unangenehm auf, wenn eine Predigerin oder ein Übersetzer holprig aus dem Gedächtnis biblische Aussagen zitiert („irgendwo steht auch …“). Es geht nicht um die Performance. Aber wenn das mit dem „nicht sündigen“ nicht klappt, erinnere ich mich nicht vage, dass Gott vergibt, sondern habe die Verheißung im Herzen: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit“ (1Johannes 1,9). Das hilft mir auch sehr im Gebet für andere!
  • Die Auswahl: Ich habe keine feste Methode. Bibelworte, die mich aus den unterschiedlichsten Gründen ansprechen, und die ihre Aussage in ein, zwei Versen haben (manche Paulus-Bandwurmsätze gehen über fünf Verse, da wird es schwierig…), nehme ich in meine Sammlung auf. Gern auch die Wochensprüche der einzelnen Sonntage oder Kernverse aus meinen Predigten. Oder irgendwas, über das ich beim Bibellesen stolpere.
  • Die Form: Ich empfehle, bei einer Übersetzung zu bleiben. Luther ist von seiner sprachlichen Prägnanz für ich ungeschlagen. Basisbibel funktioniert sicher auch gut, Hoffnung für Alle oder NGÜ halte ich für weniger geeignet, da die Sätze dort oft sehr lang werden und sprachlich weniger prägnant. Auf Lernkärtchen schreibe ich den Bibeltext auf die eine und die Bibelstelle auf die andere Seite. (natürlich gibt es auch gute Apps für Lernkarten – analog tut es für mich aber total)
  • Das Lernen: Simpel: Ich lese den Vers, am besten laut, am besten mehrfach. Solange er noch nicht in der Birne ist, bleibt er im vordersten Fach. Ist der Vers sicher drin, rutscht er ein Fach weiter. Ich drehe die Karten immer mal um, sodass ich mal vom Text her die Bibelstelle abfrage und mal umgekehrt. Ich gehe den Lernkasten immer wieder von vorn nach hinten durch, i.d.R. ein Fach am Tag. Wenn beim Wiederholen ein Vers unsicher ist (Formulierung unvollständig, Versangabe nicht ganz korrekt), wandert die Karte wieder ein oder zwei Fächer nach vorn. Liege ich total daneben, rutscht der Vers wieder ganz an den Anfang.
  • Frust oder Freude? Ein Bruder aus der Gemeinde sagte mir: Ich kann mir das einfach nicht so gut merken. Meine Antwort: Macht gar nix.
    Ziel ist letztlich nicht, hunderte von Bibelworten „draufzuhaben“, es gibt auch keine Bibelkundeprüfung für die meisten von uns. Ziel ist, dass ich mich mit Gottes Wort fülle. Da kann ich immer wieder von vorn anfangen, das tut mir nur gut! Wenn du dich auf 10 oder 20 oder 50 Kernverse konzentrierst und die immer wieder durchgehst – super, Gottes Wort wird dein Herz verändern!

Es gibt da die Legende von einem Heiligen (Details oder Quelle habe ich nicht mehr gefunden, ich freue mich über Hinweise!). Einer seiner Jünger kommt zu ihm und klagt, er könne sich aus Gottes Wort und aus den Predigten des Meisters so wenig merken, das brächte doch alles nichts. Statt einer Antwort drückt der Heilige seinem Jünger einen lehmverkrusteten Weidenkorb in die Hand und bittet ihn, Wasser vom Fluss zu holen. Der marschiert gehorsam los, doch bis er wieder zurück ist, ist das Wasser aus dem Korb entwichen. „Geh noch einmal“, sagt der Meister. Diesmal rennt der Jünger extra schnell – und kommt wieder mit einem leeren Korb an. Wie es sich für eine Legende gehört, versucht er es noch ein drittes Mal, natürlich ebenso erfolglos. „Das funktioniert nicht“, klagt er. „Ich kann das Wasser nicht im Korb behalten!“ „Natürlich nicht“, antwortet der Meister. „Aber schau dir den Korb an – er ist jetzt ganz sauber!“

Ich mache dir Mut, dich 2024 immer wieder mit Gottes Wort zu füllen. Und dann nochmal. Und dann wieder.

Der amerikanische Evangelist D. L. Moody hat bezogen auf die Erfüllung mit dem Heiligen Geist gesagt: „Wir sind lecke Gefäße.“ Lass dich füllen!


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